21.11.2016
   

Transporter-Sicherheitstraining

Wenn das Handy zum Projektil wird

Die Safety Driving Academy des japanischen Herstellers Nissan erfreut sich wachsender Beliebtheit.

Von Alexandra Felts/SP-X

Die Bilder des Films entlockten den Handwerkern und Logistikern im Kurs ein entsetztes Raunen. Ein mit 100 Kilogramm beladener Kastenwagen knallt mit 50 Stundenkilometer gegen die Testwand. Der Crashtest Dummy am Steuer hatte keine Chance, denn die mangelhaft gesicherte Ladung katapultierte sich mit dem vierzigfachen des Eigengewichts in Richtung Frontscheibe. Ein Smartphone mit beispielsweise 200 Gramm verwandelt sich nach dieser Arithmetik des Grauens in ein acht Kilo schweres Projektil, ein fünf Kilo schwerer Akuschrauber in ein 200-Kilo-Geschoss. Wie man die Ladung richtig sichert, um beispielsweise bei Vollbremsungen keine gefährlichen Überraschungen zu erleben, stand bei Nissans Sicherheitstraining am Nürburgring ebenso auf dem Lehrplan wie Hindernissen ausweichen, bremsen und ein ausbrechendes Fahrzeug wieder einzufangen.

Die Safety Driving Academy des japanischen Herstellers erfreut sich wachsender Beliebtheit. Sie wendet sich an jene, die regelmäßig Transporter mit bis zu 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht bewegen. Das sind nicht wenige: Dieses Nutzfahrzeugsegment ist mit einem Anteil von 82 Prozent auch das größte. Obwohl Nissan zu den zehn wichtigsten Anbietern weltweit zählt, liegt der Marktanteil in Deutschland mit Platzhirschen wie VW, Mercedes oder Opel unter drei Prozent. Die Teilnehmer mussten aber nicht mit ihrem eigenen Lastentier antreten, sondern konnten die Selbstversuche an Vertretern der Nissan-Palette wie NV200, NV400 oder dem Pickup Navara erleben.

Auch wer eher einen Pkw als einen Transporter bewegt, nimmt aus dem Kursthema Ladungssicherung einige nützliche Lektionen mit. Zum Beispiel, das auch Handtaschen und Computertaschen angegurtet sein sollten. Noch sicherer ist es bei einer heftigen Bremsung, wenn sie sowieso im Fußraum verstaut wurden. Auch wer seinen Kombi mit Gepäck, Sportgeräten oder Wocheneinkäufen belädt, sollte, so der Kursleiter, lieber die serienmäßig verbauten Ösen nutzen sowie zu Netzen und Gurten greifen, um für den Ernstfall die Ladung zu bändigen. Und ganz bestimmt sollten Profis wie Privatfahrer nicht zu den billigen Spanngurten greifen, wie man sie oft vor der Kasse eines Baumarkts sieht. Denn nur die genormten Gurte, die man am blauen Etikett erkennt, entsprechen den offiziellen Richtlinien und halten den angegeben Kräften der Zuglast stand. Diese Gewichtskräfte werden in Deka-Newton (daN gleich zehn Newton) angegeben, wobei ein daN einer Ladungsmasse von etwa einem Kilo entspricht.

Ladungssicherheit beginnt beim Kauf

Die Sicherung der Ladung oder der Werkzeuge und Materialien, die ein Handwerker in seinem Pritschen- oder Kastenwagen regelmäßig mitführt, beginnt eigentlich schon beim Kauf des gewerblichen Fahrzeugs und der Bedarfsanalyse für die Ausstattung. Wie ein TÜV-Film vorführte, können sich billige Schienen und Regalsysteme - oft Marke Eigenbau - angesichts der oft unterschätzten physikalischen Kräfte eines Aufpralls als hochriskant erweisen. Gerade Aufbauten aus Holz absorbieren keine Aufprallenergie, zudem regnet es Splitter. Das Bewusstsein und die Verantwortung für die Gefahrenvermeidung sind quasi auf den Schultern von Fahrern, Fuhrparkleitern und Verkäufern verteilt.

Ladung richtig zu verteilen und vertäuen ist eine schwierige Kunst, wie ein Praxistest für die Teilnehmer zeigte. Die Aufgabe, zwei kleine Farbkanister mittels angebotenen Netzen, Antirutschmatten, Spanngurten und zusätzlichen Schienen auf der Pritschenfläche fachgerecht an der Eigendynamik zu hindern, stellte aber nicht nur die Amateure in der Runde vor eine Herausforderung. Man muss dabei die zulässige Zuglast der Verzurrmittel kalkulieren und zugleich dafür sorgen, das Transportgut in keine Richtung selbständig machen kann.

Wie ein Cowboy beim Rodeo

Wenn ein unbeladenes kleines Nutzfahrzeug wie der Nissan NV200 oder der höhere NV400 mit seinem längeren Radstand rutschen und ausbrechen, ahnt man, was sich hinten im Stauraum abspielen könnte. Immer wieder ließen die Instruktoren ihre Schützlinge auf einer nassen Fläche bei ansteigenden Geschwindigkeiten, erleben, wie das Fahrzeug ausbricht. Eine kritische Situation, die zu den häufigsten Unfallursachen zählt: zu schnell gefahren und in einer Kurve von der Straße abgekommen. Bremsen kann gerade in diesem Augenblick dazu führen, dass sich das Fahrzeug dann auch noch unkontrolliert dreht. Irgendwann fühlte sich wohl jeder wie ein Cowboy beim Rodeo. Aber der Vorteil dieser Übungen im Freiluftlabor des Sicherheitszentrums am Nürburgring ist eben, dass man notfalls für Realität gerüstet ist und auch die eigene Reaktionsschnelligkeit einschätzen gelernt hat.

Auch bei einer anderen Übung, bei der zuschaltbare Wasserfontänen Hindernisse simulierten offenbarte sich die Fahrphysik zunächst als Feind. Beherzte Vollbremsung und dann das ABS und ESP nutzen, um auszuweichen, stellt einen Fahrer von Nutzfahrzeugen mit längerem Bremsweg und höherem Schwerpunkt vor ganz andere Herausforderungen. Dagegen ist das Manöver mit Nissans über 500 PS starken Sportwagen GT-R geradezu ein leichtfüßiger Tanz.


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